Manch
einer mag hier schon oft vorbeigelaufen sein, ohne je einen
Blick hinuntergeworfen zu haben: An der flachen pyramidalen
Glaskonstruktion auf dem Rathausplatz. Wer sich jedoch an den Pförtner
im Rathaus wendet, erhält einen Schlüssel zu dem, was hier von
moderner Überdachung geschützt wird. Hat er die Außentreppe zurückgelegt
und die Tür in den unterirdischen Raum geöffnet, befindet er sich
erst auf dem ersten Plateau eines Weges tief in die Unterwelt der
Stadt. Fünf Treppenläufe führen von einem rechtsgewinkelten
Vorraum fast zwanzig Meter unter das Niveau der Autostraßen, Straßenbahnen
und Fußgänger. Bald sind die Steine überwuchert von feuchtem grünen
Bewuchs, der anzeigt, wie hoch das Wasser hier bei hohem Rheinpegel
steigt. Hat er den Grund des Schachtes erreicht, steht er vor einem
Becken mit brackigem Wasser – wozu ist das alles gut?
Wer
sich an den Tafeln am Eingang informiert oder auf dieser Seite
informiert hat, nimmt sich vielleicht ein wenig Zeit, um sich auf
die in Arkaden geöffnete Treppe zu setzen. Der Lärm der Stadt ist
nicht mehr zu hören, dafür kann, wer für die Atmosphäre dieses
Ortes empfänglich ist, die Steine flüstern hören. Seit vor 900
Jahren diese Anlage gegraben und befestigt wurde, haben ihre Erbauer
und deren Nachkommen Verfolgung, Vertreibung, Deportation und
Vernichtung erleiden müssen. Das jüdische Kultbad, die Mikwe, ist
von einem Ort des lebendigen Kultus zu einem leicht zu übersehenden
steinernen Schacht der Erinnerung geworden. |